Die Region des nördlichen Münsterlandes ist hinsichtlich der geschichts- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen stets eine eher unbedeutende Rolle als Untersuchungsgebiet methodischer Forschung zugekommen. Unter der Prämisse, das Gebiet als „lehrreiches Labor“ zu begreifen, an dem die Bearbeitung regionalgeschichtlicher Themenfelder in geschichts- und kulturwissenschaftlichen Studien erprobt werden sollte, erfolgte im September 2012 die Gründung der „Forschungsgemeinschaft zur Geschichte des Nordmünsterlandes e.V.“.
Das Untersuchungsgebiet ist in vielfältiger Hinsicht heterogen: Durch die Zusammenlegung der Altkreise Steinfurt und Tecklenburg mit Teilen des ehemaligen Kreises Münster am 1. Januar 1975 wurden große Teile der Region des Nordmünsterlandes administrativ zusammengeführt. Folglich weist der heutige Kreis Steinfurt – aus historischer Perspektive – keine einheitlich gewachsenen Strukturen auf, sondern vielförmige Geschichtslandschaften.
Auf den ersten Blick mag dies für eine geschichtswissenschaftlichen Betrachtung nachteilig erscheinen, weil kein abgegrenztes, historisch gewachsenes Territorium vorliegt, das anhand seiner fest umrissenen räumlichen Grenzen Orientierung bietet. Genauer betrachtet weist diese landschaftliche und historische Vielförmigkeit aber viele Vorteile auf, die einen strukturgeschichtlichen Zugriff ermöglichen und großräumliche, zum Vergleich anregende Perspektiven schaffen. Ein künstlich verbundenes und nicht historisch gewachsenes Untersuchungsgebiet legt vielmehr die Betrachtung der regionalen Spezifika nahe und eröffnet zugleich die Chance, verbindende wie trennende Elemente dieser heterogenen Region zu untersuchen. Dem Konzept des Raumes, oder besser: der Räume als Gegenstand regionalgeschichtlicher Forschungen kommt also, analog zum geschichts- und sozialwissenschaftlichen Paradigmenwechsel im Zuge des spatial-turns, eine wesentliche Bedeutung zu.
Der hier verfolgte Ansatz setzt einerseits die Existenz unterschiedlicher, kulturlandschaftlich und kulturell vielfältiger Gebiete voraus, trägt andererseits aber der Existenz historisch gewachsener territorialer, landschaftlicher, sprachlicher, sozialer und konfessioneller Grenzen Rechnung, anhand derer sich Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten untersuchen und darstellen lassen. So sind es die Trennlinien und Kontaktzonen zwischen Stadt und Land, die das Nordmünsterland als Forschungsgebiet besonders ausweisen. Hier finden sich beispielsweise kleine, stadtähnliche Siedlungen mit besonderen rechtlichen Verfasstheiten, anhand derer die mannigfaltigen Austauschprozesse zwischen Orten verstärkter Urbanität und ländlich geprägten Siedlungen betrachtet werden können.
Parallel zur Überführung der Forschungsaufgabe in einen historischen, wissenschaftlichen Verein sollen die Ergebnisse, die sich aus den Spezifika der Region ergeben, in Form einer regelmäßig publizierten Zeitschrift mit regionalen Studien veröffentlicht werden. Auf diese Weise können die vom Verein als Forschungsdesiderate formulierten Untersuchungsfelder Geschichte, Namenkunde, Sprache, Siedlungsgeografie, Volkskunde, Religion, Recht und Archäologie adressiert und einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Das Periodikum wird auch jungen Wissenschaftlern die Möglichkeit bieten, ihre Studien zeitnah zu veröffentlichen. Auf diese Weise lässt sich sicherstellen, dass verstärkt neue Forschungsansätze und aktuelle Fragen der allgemeinen Geschichtswissenschaft eingebracht und am Untersuchungsgebiet erprobt werden. Die Synthese aktueller Diskurse mit einem interdisziplinär ausgerichteten Forschungsansatz eignet sich, neue Themen für die regionale Perspektive zu entwickeln, die sowohl für die Untersuchungsregion fruchtbar gemacht werden als auch eine „Zuarbeitungs- bzw. Korrekturfunktion“ einnehmen und damit der allgemeinen Geschichtswissenschaft dienen können. Auf diese Weise lassen sich außerdem angehende Wissenschaftler an regionalen Themenfelder interessieren: motivierend wirken könnte dabei die Veröffentlichung guter Schüler- und Studentenarbeiten in den Bänden der Nordmünsterland. Forschungen und Funde. Der Mehrwert der Veröffentlichung liegt aber auch in einer Servicefunktion für den Kreis Steinfurt und die umliegenden Gebiete, da sie jedem historisch und kulturwissenschaftlich Interessierten wissenswerte Informationen vermitteln und hierdurch gleichsam einen Beitrag zur Befriedigung des gesellschaftlichen Orientierungsbedürfnisses leisten kann.
Diese Zielsetzung soll sich im Aufbau der Zeitschrift widerspiegeln. Neben wissenschaftlichen Aufsätzen wird Quelleneditionen, Miszellen und Rezensionen Raum gegeben. Durch seine regionale Perspektive hält das Periodikum aktuelle Erkenntnisse und Materialien bereit, die – nach didaktischer Aufbereitung – auch in der Kinder-, Jugend- und Erwachsenenbildung eingesetzt werden können. Vor allem in den gesellschaftswissenschaftlichen Schulfächern ist der regionale Bezug ein motivierender und verbindender Zugang zur Geschichtsvermittlung. Schließlich kann das Bewusstsein gemeinsamer Geschichte als Identifikationsangebot zur Ausbildung lokaler Identität führen, wodurch der Zeitschrift zugleich eine konkrete Dienstleistungsfunktion für das Kreisgebiet im Speziellen und die Geschichte des Münsterlandes im Allgemeinen zukommen kann.
Die Herausgeber verstehen diesen Zeitschriftenband als einen ersten Baustein zu einer modernen geschichts- und kulturwissenschaftlichen Auseinandersetzung auf regionaler Ebene, die im nördlichen Münsterland bisher gefehlt hat und die durch künftige Veröffentlichungen auf eine breitere diskursive Basis gestellt werden soll.
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